"Das Glück liegt in uns. Nicht in den Dingen!"
(Buddha)
Wir leben in wirklich aufwühlenden Zeiten. Ist es überhaupt möglich, glücklich
zu sein, wenn das Unglück anklopft? Bei mir war es 2018 eine Diagnose, die plötzlich über mir einschlug wie ein Meteorit. Fast genau ein Jahr später kam dieses kleine Virus, das unser aller Leben veränderte. Da ist das Glück doch eher fern, und mal ehrlich, ist es überhaupt realistisch und angebracht, glücklich sein zu wollen? Das Leben kann schließlich ziemlich hart sein.
Früher, als ich berufsbedingt noch viel gereist bin, fiel mir das Glück quasi permanent direkt auf die Füsse. Denn viel zu reisen, bedeutete vor allem auch, viel zu warten. Vor allem an Bahnhöfen oder Flughäfen. Dort gibt es neben wirklich gutem Kaffee in den zahlreichen netten Cafés diese bunten Bücher- und Zeitschriftenläden, die eine magische Anziehungskraft auf mich ausüben! Wie habe ich es geliebt, dort zu stöbern und selten ist mir gelungen, diese Tempel der Lesekunst zu verlassen, ohne eines oder mehrere der nett aufgemachten Exemplare einer Zeitschrift, eines Buches oder auch eines schönen Notizheftes mein eigen zu nennen.
Viel verändert hat sich von außen betrachtet nicht über die Jahre in dem bunten Angebot, außer, dass es offensichtlich immer mehr Lesestoff gibt, der zu jeder Lebenslage Ratschläge oder Weisheiten parat hat. Neben Kulinarischem wird vor allem das Glück großzügig bedacht. Man kann es nicht übersehen auf seinem Mega-Bestseller-Aufsteller, und so fand ich mich wieder einmal auf einen Zug wartend, im erstbesten Lesevergnügen blätternd wieder. Es schien ausgezeichnet mit einer Art „Glücklich-werde-Garantiestempel“, denn ich lernte gleich auf Seite eins, dass es keine allzu große Sache sei mit dem Glück, wenn ich mich denn „öffne, für all das, was die Welt mir zu geben bereit ist“. Wie spannend! Es sei schließlich überall, zudem im Universum bestellbar und grundsätzlich in meinem Inneren zu finden.
In meinem Äußeren – ich erinnere mich gut – konnte ein eher weniger elegantes Ausweichmanöver derweil eine unschöne Kollision meines an Sperrgut heranreichenden Gepäcks mit dem Glücks-Aufsteller gerade noch verhindern. Im Bann meiner ersten Übung zu meinem „Higher Self“ – was so etwas zu sein schien wie ein Hauptgewinn in der Glückslotterie, fiel ich beinahe mit großem Tamtam über die anderen Suchenden auf dem Weg zur eigenen Bestimmung – oder schlicht zur Kasse.
Die nette Zeitschrift, die dann Platz fand in meinem Sperrgut, vertrieb mir die langweilige Zeit der Zugfahrt, die Erleuchtung allerdings blieb aus. Die Frage blieb: Was macht mich wirklich glücklich? Zudem, wenn die Umstände gerade – sagen wir – eher suboptimal sind.
“Da hast du aber Glück im Unglück gehabt”. Kennt ihr diese Redewendung? Tatsächlich liegt darin sehr viel Wahrheit, denn nichts macht unglücklicher als vermeintliches Dauerglück, in dem alles selbstverständlich wird, und wir das Besondere, die kleinen Wunder des Alltags einfach übersehen. Mit der Zeit habe ich aus all den neuen Erfahrungen, vielen Gesprächen und viel Nachdenken 8 Ideen herausgearbeitet, die ich für mich mehr und mehr beherzige. Ich möchte sie hier teilen als Gedankenschubser zum Ende des Jahres. Ich freue mich, wenn sie etwas Gutes bewirken. Denn das Glück ist immer viel näher als wir glauben, sogar im Unglück! Fangen wir also heute an mit den ersten 4 Schubsern. Bitteschön!
1. Ich weiß, was ich mir wert bin!
Sich selbst wertzuschätzen, hat nichts mit Egoismus zu tun oder damit, sich in den Mittelpunkt oder gar über andere zu stellen. Es hat vielmehr damit zu tun, die eigenen wirklichen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Aber was sind meine wirklichen Bedürfnisse? Das kann ich ganz einfach herausfinden. Wenn ich mir selbst immer wieder sehr viele Gründe für eine bestimmte Entscheidung einreden muss, dann sollte ich einmal überlegen, ob der Selbstbetrug nicht grinsend um die Ecke kommt. Spätestens, wenn mir die Gründe ausgehen und ich trotzdem verbissen dranbleibe, wird es immer beschwerlicher. Dann ist etwas faul. Vielleicht will ich einfach anderen gefallen, oder die Dinge gehen ihren eingeschliffenen Lauf der Gewohnheit. Habe ich mir lange genug bestimmte Bedürfnisse eingeredet, wird die Lüge zur „Wahrheit“ und somit zur täglich gelebten Normalität. Glücklich werde ich so – wenn überhaupt – nur vordergründig. Tief in mir weiß ich, dass ich mich selbst belüge.
Schön ist auch die gerne dramatisch inszenierte und zerstörerische Selbstkritik. Sie ist die Königsdisziplin der fehlenden Wertschätzung eigener Fähigkeiten. Wenn hunderte selbstkritische Gründe solide belegen, dass ich in einem Gebiet, was mich interessiert, sicherlich die Niete mit Misserfolgsgarantie bin, auch wenn ich es in diesem Terrain noch nicht einmal versucht habe, dann bin ich schon Profi darin, mich selbst unglücklich zu machen. Auch ohne langjährige Studien psychologischen Fundamentalwissens kann ich dies aus eigener Erfahrung sehr gut belegen, denn ich war der festen Überzeugung, dass zu Hause zu sitzen und zu schreiben doch nun wirklich absurd wäre. Es hat mich noch einige Anläufe gekostet, die Antwort zu formulieren, wenn Freunde, die von der Krabbe wissen, mich fragten: „Und, was machst Du denn jetzt so?“ Zunächst kam das Naheliegende: „Och, ich hab endlich mal etwas Ruhe.“ Bis ich es dann aussprach: „Ich werde Autorin, und gerade schreibe ich mein erstes Buch!“
Auf die sich anschließende Frage nach dem Inhalt schoss das Selbstsabotage-Monster wieder einmal aus dem Hinterhalt hervor und übernahm das Kommando. „Ach, kleine Geschichten, einige Erfahrungen, aber ich weiß noch nicht richtig…“, stotterte es aus mir heraus. Wertschätzung meiner möglicherweise ja doch vorhandenen Schreibqualitäten oder zumindest meiner Ambition? Fehlanzeige!
Das ist nun Vergangenheit, denn das wirklich simple Rezept ist: Es ist wichtig, dass es mir Freude macht, was immer auch später mit all den Zeilen passiert.
Bin ich überzeugt davon, das Richtige zu tun, dann wertschätze ich mich selbst. Ob ich es richtig mache und ob es überhaupt ein „Richtig“ braucht, das wird sich schon zeigen.
2. Ich zeige anderen Menschen, dass sie mir etwas wert sind!
Was kann überhaupt wichtiger sein, als den Menschen, die wir schätzen, mögen oder lieben, dies zu zeigen und zwar sehr ehrlich aus unserem Inneren heraus und mit tiefer Überzeugung? Wie oft hadern wir mit uns selbst und geben gerade den Menschen, die uns Gutes tun, die Schuld dafür? Ich bin sauer auf mich, da ich die alte Kommode immer noch nicht gestrichen habe? Klar, ich bin ja auch völlig vereinnahmt von den (total unsinnigen) Ideen meines Partners, die immer dazwischen kommen, und zeige ihm deutlich, dass er die Verschönerungsversuche offensichtlich dauernd torpediert. Na wunderbar! Es geht auch subtiler: Wir hadern mit unserem Aussehen, und bekommen just von außen das Gegenteil bestätigt: „Du siehst gut aus, so frisch.“ Klar, das sagt die beste Freundin ja gerne besänftigend, die gerade selbst 10 Kilo abgenommen hat. Ich lasse sie unsanft wissen, dass sie sich ihre „Aufmunterung“ sparen kann. Manchmal brauchen wir schlicht gar keine Gründe, um andere Menschen gering zu schätzen. Wir machen es schlicht aus Gewohnheit, und zwar indem wir gar nichts machen. Von meinen Kunden höre ich nicht selten berechtigte Klagen über einen der demotivierendsten Sätze überhaupt: „Nicht gemeckert ist genug gelobt“. Er bedeutet nicht weniger, als dass eine ganze Mannschaft still vor sich hin arbeitet und dabei davon ausgeht, dass die vielen Überstunden, die Extrameilen, das Projekt, das eigentlich gar nicht mehr ins zeitliche Budget passt, schlicht selbstverständlich ist. All das ist nicht erwähnenswert und kommt in den Büros und Geschäften dieser Welt überwältigend oft vor. In den Gesichtern der Menschen in diesen tristen Orten ist alles zu erkennen, was weit entfernt liegt von kreativem und lebensfrohem Schaffen.
Nun hat auch dies mit der Einstellung zu jedem einzelnen Tag zu tun. Wie beginne ich den Tag, wenn ich meinen Arbeitsplatz betrete? Wie begegne ich den Menschen im Laufe des Tages? Wie verhalten sie sich mir gegenüber? Warum nicht ein Ideenaustausch im Büro, wobei ich zeige, dass ich die Ideen der anderen einfach grandios finde? Warum nicht einfach einmal ein kleines „Danke“ zwischendurch? Auch gerne außerhalb der Arbeit zum Beispiel für die besonders freundliche Verkäuferin. Deren Lächeln ist gerade an diesem Morgen so ansteckend, dass es uns den Tag verschönert? Dann wäre ein „Danke für Ihr Lächeln. Sie machen gerade jemanden glücklich!“ doch eine feine Sache. Die Freude darüber hält sicher lange an – auf beiden Seiten.
Auch den Menschen, denen wir am nächsten stehen, können wir gerne viel öfter zeigen, dass wir es wunderbar finden, sie in unserem Leben zu wissen. Meine beste Freundin und ich sehen uns selten, und doch schicken wir gegenseitig zwischendurch immer mal eine kleine Nachricht. „Hallo, ich denke gerade an Dich. Schön, dass es Dich gibt!“ Wir schätzen uns sehr und zeigen uns das auch, und dies schon über viele Jahre. Wir können Menschen mit solch kleinen Gesten Freude bereiten, und wenn es virtuell ein kleines Emoji ist – vom anderen Ende der Welt.
Und dann gibt es da vielleicht diesen Lieblingsmenschen in unserem Leben, der unsere Ecken und Kanten genauso liebt wie unsere Sonnenseiten, der für uns da ist, was immer auch passiert, und der uns manchmal im größten Chaos noch versteht, auch wenn wir es selbst nicht mehr tun. Warum nicht einfach ein Anruf zwischendurch? Nur mal so – nicht aus Pflicht oder weil ich etwas brauche, sondern aus dem inneren Bedürfnis, dem anderen zu sagen, wie gerne ich ihn oder sie habe.
Andere wertzuschätzen macht glücklich, weil wir uns mit ihnen freuen an einem ehrlichen Lächeln, das wir zurückbekommen oder vielleicht auch an einer kleinen Karte, die uns die Kollegin morgens auf die Tastatur gelegt hat. „Guten Morgen Lieblingskollegin. Kaffee?“ Und es ist ja nun so, dass jeder Tag, den wir bewusst erleben und gestalten, viele Chancen dafür bietet.
3. Ich halte mich fern von toxisch wirkenden Menschen!
So wichtig es ist, Menschen zu schätzen, so wichtig ist es auch, Menschen zu erkennen, die toxisch auf uns wirken. Am besten ist schlicht und ergreifend, sie zu meiden. Nun gibt es Menschen, denen können wir aus dem Weg gehen. Wir können sie, gerade heraus gesprochen, aus unserem Leben werfen. Dies sind vor allem die Menschen, die uns bewusst oder unbewusst direkt schaden.
Leider gibt es diese Menschen mitunter in unserem direkten familiären Umfeld ebenso wie im weiteren Umfeld der Freunde oder Kollegen. Sie sind leicht zu erkennen, allerdings ist es mit kurzem Knopfdruck – „Strg-Alt-Delete“ – nicht getan, um sie dauerhaft daran zu hindern, an unserem Lebensglück zu nagen. Denn meist haben sich diese Menschen zur Aufgabe gemacht, das Negative sowohl in sich selbst als auch in anderen dauerhaft blühen und wachsen zu lassen. Unaufhörlich hetzen sie ihr eigenes Selbstsabotage-Monster auf andere, versprühen ihr Gift des Selbstmitleids und lösen damit manchmal echte Katastrophen vor allem im Seelenleben der Menschen aus, die ihnen wohl gesonnen sind. Gerade in dieser Disziplin sind sie Meister ihres Fachs!
Sie auf Abstand zu halten, ist ebenso wichtig wie innerlich Distanz zu wahren zu ihren oft schauerlichen Anschuldigungen, mit denen sie andere für ihr verlorenes Lebensglück verantwortlich machen. Bevorzugt natürlich diejenigen, denen es gut geht und die dies ihrer Meinung nach so gar nicht verdient haben.
Leider gibt es aber auch toxisch wirkende Menschen, zu denen wir – zumindest nicht sofort – auf Distanz gehen können. Nehmen wir diesen toxischen Chef, der an Dauerkritik nicht spart, dies gerne laut und vor der gesamten Mannschaft. Keine schöne Lage, da wir ja auf Gedeih und Verderb auf ein Miteinander angewiesen sind – zumindest solange wir bereit sind, für diesen Chef zu arbeiten. Auch hier macht eine absehbare Trennung, bestenfalls auf Eigeninitiative, sehr viel Sinn. Denn das Prinzip Hoffnung im Bezug darauf, dass sich doch bitte ein anderer endlich verändern möge, endet so gut wie immer in Hoffnungslosigkeit. Dann ist es an uns, den ersten Schritt zu tun in Richtung Trennung, um die ungute Verbindung zu lösen. Haben wir das erkannt, dann braucht es manchmal Zeit, damit wir selbst uns umorientieren können. Unsere Entscheidung allein hilft dann schon, innerlich auf Distanz zu gehen.
Neid und Missgunst sind sehr beliebte Grundgefühle toxisch wirkender Menschen, ebenso Wut auf sich selbst oder Selbstmitleid. Diese Gefühle werden gerne übertragen auf andere Menschen, denen es vermeintlich besser geht. Eine klassische Projektion. Als guter Freund oder gute Freundin bieten wir gerne unser offenes Ohr an. Dies macht Freundschaft aus, nur wann ist Hilfe einfach aussichtslos und wird – und das ist besonders tragisch – zum Bumerang? Ups, obwohl ich Gutes möchte, bin ich plötzlich selbst der oder die Böse, denn es geht mir, wie ungerecht und unverdient, doch sehr gut! Es möge mir doch bitte genauso schlecht gehen wie dem Freund, der leider in die ein oder andere Lebensfalle getappt ist.
Toxisch wirkende Menschen reagieren auf Hilfsangebote negativ. Sie sind so verstrickt in ihr eigenes Leiden, dass sie an einer Besserung ihrer Situation nicht mehr wirklich interessiert sind, sondern ihre missliche Lage umkehren zu einem Lebenszweck an sich. Genau das macht sie aus!
Wichtig ist: Wir haben keinen Auftrag, diese Menschen zu ändern oder gar zu therapieren, außer wir sind Therapeuten, und diese therapieren in den seltensten Fällen ihre eigenen Freunde oder gar Verwandte, so wie der Chirurg die Finger von der Wunde bester Freund lässt. Wir sollten sie ihnen schlicht lassen, ihre missliche Lage, denn sie brauchen diese wie wir unser Glück. Und so ist beiden Seiten geholfen.
4. Ich schätze, was ich habe!
Wünsche zu haben, ist wundervoll. Ich erinnere mich gerne daran, wie ich als Kind ganz aufgeregt meinen Wunschzettel für das Christkind geschrieben habe. Oft waren es Schallplatten oder Bücher, die ich als brennende Wünsche darauf schrieb. Auch Stifte und vielerlei Bastelmaterial waren die Favoriten, da ich als Kind schon viel geschrieben oder gebaut habe. Wenn meine Eltern abends ausgingen, erwartete sie meist ein Rätselparcour aus kleinen Zetteln und Hinweisen, die ich quer durch die Wohnung versteckt hatte, und sie durften nicht schlafen gehen, bevor sie alle Zettel gefunden und die Rätsel gelöst hatten. Natürlich brauchte ich hierfür Material, welches ich gehütet habe wie einen Schatz. Vor einem anstehenden Weihnachtsfest hatte ich nach gründlicher innerer Abwägung dann den Mut aufgebracht, meinen allergrößten Traum auf diesen Wunschzettel zu schreiben: Ich wünschte mir ein Fahrrad! Mir war natürlich klar, dass ein Fahrrad in der Wunschdimension ganz weit weg lag von neuen Buntstiften, und so ist mir das Warten darauf, ob das Christkind die Dringlichkeit erkennen und sich mein Traum erfüllen möge, in lebhafter Erinnerung. Ich glaube, ich habe damals schon geahnt, dass das Christkind wohl meine Eltern waren, was mich die Erfüllung des Wunsches umso mehr in Frage stellen ließ, denn ein Fahrrad war schlicht sehr teuer.
Nun können sich 24 Tage unendlich lang ziehen. Die Wunschzettel wurden in unserer Familie immer zum Beginn der Adventszeit geschrieben, so dass die Wünsche und das Lauern darauf, ob sie sich erfüllen mögen, immer die gesamte Adventszeit begleiteten. Es wurde von Tag zu Tag spannender. Die Freude darüber, dass zu Weihnachten dann wirklich ein glänzendes neues Fahrrad unter dem Weihnachtsbaum stand, kann ich bis heute noch fühlen. Es war ein unfassbar grossartiger Moment, so dass die Freudentränen flossen. Ich hatte das schönste Fahrrad der Welt, und ich war demnach der glücklichste Mensch auf der Welt. Bis heute sind Fahrräder für mich etwas Besonderes, und als ich letztens ein neues Fahrrad bekam, kam genau dieses Gefühl in mir hoch, das Gefühl großer Dankbarkeit. Ein wunderbarer Glücksmoment, in dem ich besonders durch die lebendige Erinnerung an dieses Weihnachtsfest eindringlich daran erinnert wurde, wie schön und wichtig es ist, das zu schätzen, was man hat.
Mit Dankbarkeit erfüllen mich natürlich nicht nur Dinge sondern auch besondere Momente, Zeit oder Menschen, die mein Leben begleiten. In einem Artikel las ich letztens „Zeit ist das neue Geld“. Es ging um sehr gut ausgebildete junge Menschen, die man mit sehr viel Geld in eine Aufgabe locken wollte, die ihnen jegliche Zeit für möglicherweise auch außerhalb der Arbeit zu erwartende schöne Lebensmomente entreissen würde. Der Bericht schloss mit der Erkenntnis, dass immer mehr Menschen genau dies ablehnen. Denn sie erkennen, dass die Zeit mit ihrer Familie so wertvoll ist oder dass ihnen die abendliche Joggingrunde gut tut. Sie machen sich bewusst, was sie an ihrem Leben schätzen, sind dankbar dafür und merken mitunter, dass sie Kraft daraus schöpfen oder ihren eigentlichen Lebensmotiven viel näher kommen. Uns bewusst zu machen, was wir alles haben, lässt Wünsche wertvoller werden. Denn wir sind nicht latent unzufrieden oder neiden gar jemand anderem, sich einen großen Wunsch bereits erfüllt zu haben. Im Gegenteil freuen wir uns daran, Wünsche zu haben und wissen gleichzeitig, dass wir auch ohne die prompte Erfüllung glücklich sind.
Diese Haltung macht uns auch gelassener, denn wir leben nicht in der ständigen Erwartung, noch mehr zu brauchen, um endlich glücklich zu werden.
Unsere Gesellschaft macht es uns dabei wirklich nicht leicht, denn die mediale Welt hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns in Dauerschleife zu suggerieren, dass wir ohne diesen Pullover, diesen neuen Computer, dieses Handy gar nicht glücklich sein können. „Customer targeting“ nennt sich das Wundermittel der Wunscherfüllungs-Industrie. Den Weihnachts-Wunschzettel kann demnach Google oder Apple für uns ausfüllen, wissen sie doch bis ins Detail aus unserem Daueraufenthalt im Internet, was uns fehlt zum Lebensglück. Es ist eine feine Übung für mich, mir die Internetangebote oder Auslagen in Geschäften anzuschauen und bei einer Runde im Wald darüber nachzudenken, ob mich ein Kauf glücklich machen würde. Meist kann ich die Frage mit ein wenig Abstand klar mit einem „Nein“ beantworten. Bei einem „Vielleicht“ macht es Sinn, noch einige Tage zu warten, ob der Wunsch gegebenenfalls doch anhält. Dann wäre eine mögliche spätere Erfüllung vielleicht eine Überlegung wert, und wer freut sich nicht darüber, den ein oder anderen Wunsch real werden zu lassen? Nach langer Vorfreude und gründlicher Überlegung ist die Freude und Dankbarkeit, sich den Wunsch erfüllt zu haben, dann viel größer und hält vor allem auch länger an.